Pressetexte

Nummer 9, Dezember 2007

Tradition mit Leben erfüllt: Stickkreis”
Künstler der Region - eine Serie von Andrea Gerecke

Ein Wandbehang erfährt kritische Begutachtung

Sie treffen sich einmal im Monat bei Renate Niederfeld, Leiterin des Stickkreises. Sie, das sind Brigitte Horstmann, Helma Ohlemeyer, Hilde Grünzig, Irmgard Zipser, Margarete Schwarz, Helga Strathmann, Elfriede Krüger, Anni Hannig, Lisa Hoppmann, Liesel Bünte, Inge Felgner, Annelene Biere. Eine eingeschworene Gemeinschaft, die aus Porta Westfalica, Totenhausen, Hahlen, Nordhemmern, Friedewalde, Rothenuffeln und sogar Herford kommt. Einige stehen noch mitten im Berufsleben, andere genießen ihre wohlverdiente Rentenzeit, ohne allerdings die Hände in den Schoß zu legen! Das älteste Mitglied der 13-köpfigen Gruppe ist 82 Jahre alt. Und alle haben sich einem Hobby verschworen, der wunderbaren Handarbeitskunst des Stickens.

Ins Leben gerufen wurde alles vor 20 Jahren, als Renate Niederfeld, die Initiatorin, an der Volkshochschule entsprechende Kurse gab. Die hörten dann irgendwann auf, aber übrig blieb das überaus große Interesse am Erhalt und der Erstellung traditioneller Kunstwerke. Immerhin entstanden bereits im 10. Jahrhundert erste Stickereien in deutschen Klöstern - dort mit den klassischen Motiven Ähren, Wein, Rosen und alles zum Lobe des Herrn. Die ersten Nadeln bestanden übrigens aus Knochen oder Fischgräten und die Frauen verdarben sich bei flackerndem Kerzenschein die Augen. Die andere Richtung dieser Handarbeit war die an Fürstenhöfen, wo sich die Begüterten die Zeit vertrieben, indem sie weltliche Szenen im Stoff festhielten. Beides vereinte sich über die Jahrhunderte hinweg und hinterließ anschauliche Spuren. Und so pflegt der Stickkreis diese alten Traditionen, fertigt beispielsweise Dresdner Spitze, eine Art, die bis ins 18. Jahrhundert in Dresden angewandt wurde und das Sahnehäubchen in dieser Handwerkskunst darstellt. Ob Frankenwälder Weißnäherei oder Schwälmer Stickerei aus dem Hessischen, jede der Frauen hat ihre Spezialität und beherrscht mit wahrer Virtuosität die Sticknadel.

Inzwischen haben die Damen erlebt, dass ihre Kinder Abitur machten, heirateten und der nächste Nachwuchs getauft wurde. Gelegenheiten für Handwerkliches boten sich reichlich. Für die Trauringe entstanden passende Kissen, Taufkleider wurden mit Stickereien versehen, für eine Goldene Hochzeit gab es sogar einen gestickten Wandbehang mit einem Stammbaum. In einem Buch halten die Frauen ihre Nachbetrachtung zum jeweiligen Stickabend fest und wollen die Aufzeichnungen für einen späteren Zeitpunkt gewissermaßen als Heimatkunde bewahren. Darin sind Stichpunkte zu Umweltereignissen, Menschlichkeit, Kultur und Reisen enthalten. Denn auch bis nach Rom ging eine Tour, auf der man auf einem Bauernmarkt in Sachen Stickmuster fündig wurde. Recherchen zu den Vorlagen werden darüber hinaus in Museen betrieben. Altes Bauernleinen kommt vorrangig aus Spenden von Freunden, Bekannten, Verwandten. Vorräte für weitere Tischwäsche sind dank der Großzügigkeit lieber Menschen noch einige vorhanden.

Seit der Gründung gab es in diesem Jahr den 4. Handarbeitsbasar. An einem Oktobertag waren die rund 250 Exponate, an denen rund zwei Jahre gewerkelt worden war, im Bürgerhaus von Rothenuffeln binnen einer Stunde fast alle verkauft. Tischdecken, Deckchen, Läufer, Tischbänder, Wäschebeutel, Schürzen, Wandbehänge brachten eine Spende von 1.500 Euro für das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene/Gabun, 1.000 Euro für die Restaurierung der gotischen Hallenkirche in Soest und 200 Euro für den evangelischen Kindergarten von Rothenuffeln zusammen. Renate Niederfeld hat übrigens schon als Fünfjährige ihre erste Decke gestickt und später als Krankenschwester jeden Bereitschaftsdienst damit wunderbar überstanden. Sie ist außerordentlich kulturgeschichtlich interessiert und engagiert sich besonders für Albert Schweitzer und dessen Einsatz für Menschlichkeit.

In vertrauter Runde wird gesellig gefachsimpelt

Bei den regelmäßigen Treffen trinkt man gemeinsam einen Tee und knabbert einen Keks. Dabei werden Erfahrungen ausgetauscht und es wird gestickt, was das Zeug hält. Schnell verfallen die Handarbeiterinnen beim Fachsimpeln ins Plattdeutsche, wenn es um Stiel-, Ketten-, Spann- oder Flachstiche in der Leinenstickerei geht. „Ich hoffe ja auf eine Renaissance der Stickerei an den Schulen“, sagt Renate Niederfeld sehnsüchtig und: „Wir wollen Traditionelles bewahren und gleichzeitig Freude mit unseren Handarbeiten bringen.“ Wenn man die wunderbaren Erfolge der Arbeiten sieht, kann man den Wunsch nach Bewahrung dieser Tradition nur unterstützen und den positiven Effekt ebenfalls bestätigen. Auf die Frage nach einem eventuellen 5. Handarbeitsbasar, antwortet die Leiterin des Stickkreises allerdings ausweichend: „Wer weiß, das wird die Zeit bringen...“ Und gute Handarbeit braucht wirklich Zeit und Geduld.